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Kapitalaufbau

Erfahren Sie in diesem Artikel

  • warum die Steuer für den Produktentscheid unbedeutend ist
  • wie Ihnen lange Zeiträume und regelmäßige Beiträge helfen
  • wie man richtig diversifiziert und auf Kosten achtet
  • welche Effektivrenditen Sie anstreben sollten

von Dr. Steffen Schaarschmidt

| Lesezeit: ca. 9 Min.

Was Sie beim Sparen beachten sollten

Beim Kapitalaufbau für die Altersvorsorge gibt es einige Dinge, die man berücksichtigen sollte. Viele „Berater“ empfehlen verschiedene Vorsorgeprodukte aus vielfältigen Gründen. Der steuerliche Vorteil ist meist einer der am häufigsten genannten, aber nicht tatsächlich entscheidenden Gründe. Aus steuerlichen Gründen wurden in der Vergangenheit hauptsächlich Lebensversicherungen zum Kapitalaufbau und zur Altersvorsorge verkauft. Viele Kunden überlegen nun aus verschiedenen Gründen ihre Lebensversicherung zu kündigen. Bevor man sich über Kapitalaufbau Gedanken macht, sollte man die existenziellen Risiken des eigenen Lebens abgedeckt haben. Dazu sind in der Regel Versicherungen nötig, z.B. die Private Haftpflichtversicherung oder die in Deutschland obligatorische Krankenversicherung, bei Arbeitnehmern noch die Berufsunfähigkeitsversicherung und bei Paaren mit kleinen Kindern oder einer ausstehenden Hypothek noch die Risikoabsicherung im Todesfall. Erst wenn diese existenziellen Risiken abgedeckt sind, und eine Rücklage zur Verfügbarkeit in Notfällen aufgebaut worden ist, sollte über die eigene Altersvorsorge nachgedacht werden. Dabei können Sie sich über die folgenden Aspekte mit einem unabhängigen Experten Gedanken machen oder sich im Internet oder mit Büchern/Zeitschriften neutral informieren:

  • Wie stelle ich sicher, dass ich bei Renteneintritt ausreichend Kapital zur Verfügung habe?

  • Welche Rolle spielen dabei Steuern und Kosten?

Um die erste Frage zu beantworten, müssen wir zwei Prinzipien für die Altersvorsorge verstehen:

  • Ohne Risiken keine Renditen.

  • Lange Zeiträume verringern das Risiko.

Das erste Prinzip scheint für viele intuitiv klar zu sein. Der Zusammenhang zwischen Renditen und Risiko ist grundlegend. So sollte man sehr kritisch sein, wenn hohe Renditen mit geringen Risiken versprochen werden. Seriöse Berater weisen bei höheren Renditechancen auch auf die entsprechenden höheren Risiken transparent hin.

 

Lange Zeiträume helfen das Vorsorgeziel zu erreichen

Das zweite Prinzip ist gerade in der Altersvorsorge sehr wichtig. Lange Anlagehorizonte spielen neben renditereichen Anlagen die entscheidende Rolle für den Erfolg beim Kapitalaufbau. Zum einen wirkt der Zinseszinseffekt bei langen Perioden umso stärker, zum anderen verringert sich das Anlagerisiko bei einem langen Zeitraum beträchtlich. Am Beispiel einer Aktieninvestition in Diagramm 3 wird deutlich, dass die tatsächlich erzielte jährliche Rendite umso weniger geschwankt ist, desto länger der Anlagehorizont war.

 

Diagramm 3: Historische Jahresrenditen des Pictet-Aktienindex (seit 1925)

Ein Beispiel: Bei einem Zeitraum von 15 Jahren wurde in der Vergangenheit stets Renditen über 0% p.a. verdient, d.h. es gab keinen 15-Jahres-Zeitraum mit Verlusten (seit 1925, Pictet-Aktienindex). Das ist natürlich keine Garantie für die Zukunft, verdeutlicht aber den bisher starken Zusammenhang zwischen Anlagehorizont und Risiko. Wenn Aktien nach einem Jahr wiederverkauft wurden, ähnelt das Resultat hingegen einem Roulette-Spiel: Hier ist alles zwischen +50% und -40% möglich gewesen. Langfristig liegen die durchschnittlich erwirtschafteten Renditen bei Aktienanlagen zwischen 7% und 8% p.a., unabhängig vom betrachteten Index und Land.

 

Regelmäßige Beiträge als weiterer Vorteil

Hinzu kommt ein weiterer Vorteil der langfristigen Altersvorsorge: Regelmäßige Beiträge. Im Gegensatz zum oben gezeigten Einmalbeitrag dämpfen regelmäßige Beiträge weiter das Risiko. Der in der Literatur viel diskutierte „Cost Average Effekt“ besagt, dass durch regelmäßige Sparbeiträge zum Durchschnittspreis gekauft werden kann, und somit von Kursrückgängen profitiert werden kann. Wir möchten im Folgenden veranschaulichen, wie sich ein regelmäßiger Beitrag von einem einmaligen Beitrag in der Altersvorsorge hinsichtlich Rendite- und Risikoeigenschaften unterscheidet.

Dabei schauen wir zunächst auf einen Vorsorgesparer, der schon in jungen Jahren bei einem Altersvorsorgeprodukt (z.B. ein ETF-Portfolio) auf eine risikoreichere Aktienanlage setzt. Sein Gesamtbeitrag beträgt beispielhafte 100 über die gesamte Vorsorgedauer von 30 Jahren.

 

Diagramm 4: Regelmäßiger Sparbeitrag in Aktien über 30 Jahre

Auffällig ist, dass bei der regelmäßigen Investition das Risiko – der maximale Kapitalverlust bezogen auf die Beitragssumme, in rot auf der rechten Skala abgetragen - über die Zeit steigt. Das liegt natürlich daran, dass anfänglich von 100 erst ein kleiner Teil riskant angelegt ist. Das Risiko fällt dann nach etwa 15 Jahren wieder, bis wir ab ca. 20 Jahren Anlagedauer kein Verlustrisiko mehr sehen. Hier hilft neben dem Cost-Average Effekt das zweite Prinzip: Lange Anlagehorizonte verringern das Risiko. Aus Beiträgen von 100 Euro werden nach 30 Jahren über 400 Euro, die Rendite liegt bei über 8% p.a., minimal historisch bei 2.7% p.a.

„Bei einem reinen Aktiensparplan ist bei Anlagezeiträumen ab 20 Jahren historisch nie ein Verlust aufgetreten“

Im Gegensatz dazu schauen wir auf einen Vorsorgesparer, der in jungen Jahren auf ein sicheres Vorsorgeprodukt setzt, z.B. auf eine klassische Kapitallebensversicherung. Nach 15 Jahren entscheidet er sich, ab sofort ebenfalls mit einem Aktiensparplan vorzusorgen und das bisher angesparte Kapital darin zu investieren. Auch dieser Sparer leistet über die Dauer von 30 Jahren einen Gesamtbeitrag von 100.

 

Diagramm 5: Wechsel in den Aktiensparplan nach der Hälfte

Hier ist das Risiko aufgrund der einmaligen Investition der bisher angesparten Beiträge sofort vorhanden. Der Wechsel der Strategie führt zwar zu einem höheren anfänglichen Risiko als beim Sparplan, dieses fällt aber ebenfalls noch bis zum Ende der 30 Jahre ab, so dass bei einem Restzeitraum von 15 Jahren historisch kein Verlust über diesen Zeitraum aufgetreten wäre. Man kann also sagen, dass auch ein späterer Wechsel von einer sicheren Anlage in einen Aktiensparplan noch sinnvoll ist, solange noch ein angemessener Zeitraum zur Verfügung steht. Die durchschnittliche Rendite beträgt beim Wechsel immerhin noch fast 6% p.a. (minimal 0% p.a.), obwohl in der ersten Hälfte keine Rendite erwirtschaftet wurde.

„Ein Strategiewechsel in einen reinen Aktiensparplan macht sogar bei nur noch 15 verbleibenden Jahren Sinn.“

 

Nicht alle Eier in einen Korb legen

Wenn nun keine 15 Jahre mehr Zeit ist, bis das Altersvorsorgevermögen zur Verfügung stehen muss, heißt das nicht, dass auf Aktien verzichtet werden muss. Man sollte dann den Aktien-Anteil am Portfolio nur entsprechend senken. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es sowieso vorteilhafter über weitere Anlageklassen zu streuen, da die Diversifikation zusätzliche Optimierungen im Rendite-Risiko-Profil bewirkt. Wir zeigen in Tabelle 6 die Vorteile einer Diversifikation über Länder und Anlageklassen.

 

Tabelle 6: Vorteile der Diversifikation in Bezug auf Rendite und Risiko einer Anlage

Quelle: "How should Individual Investors diversify. An empirical evaluation of alternative asset allocation policies", S.41f., Juli 2013; eigene Berechnungen

 

Die ersten 4 Zeilen zeigen die sogenannte Sharpe-Ratio (Verhältnis der Rendite zum Risiko) für europäische Länderindizes, d.h. marktwertgewichtete Aktienindizes. Die langfristigen Rendite-/Risiko-Verhältnisse sind grundsätzlich ähnlich. Heraus sticht das Sharpe-Ratio des MSCI Europe, das Aktienanlagen länderübergreifend reflektiert, sowie ein Weltportfolio, welches neben 60% Aktien aus der gesamten Welt auch noch die Anlageklassen Anleihen und Rohstoffe berücksichtigt. Sowohl die breitere Streuung über Ländergrenzen hinweg, als auch die Berücksichtigung weiterer Anlageklassen reduziert das Risiko, und führt dadurch zu einer höheren Sharpe Ratio.

„Aktien, der Anlagehorizont, regelmäßige Beiträge und Diversifikation sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren für die Altersvorsorge“

 

 

 

Versteckte Kosten fressen Rendite

Nachdem die erste Frage beantwortet ist, stellt sich die Frage inwiefern Kosten und Steuern den Erfolg der Altersvorsorge gefährden können. Kosten sind im Beratungsgespräch eher lästig, spielen aber für den langfristigen Erfolg eine große Rolle. Es ist weithin bekannt, dass z.B. Lebensversicherungen hohe Kostenbelastungen durch Verwaltung und Abschluss haben, was dazu führt, dass viele Personen Ihre Lebensversicherung kündigen möchten. Daher möchten wir vielmehr auf die Kosten und Steuern bei alternativen Altersvorsorgeprodukten eingehen, der weniger bekannt ist.

Die Anlage mit Investmentfonds oder ETFs ohne Versicherungsmantel scheint auf den ersten Blick steuerlich nicht interessant. Beiträge können steuerlich nicht abgesetzt werden, und Erträge müssen mit der Abgeltungssteuer (26.375% inkl. Solidaritätszuschlag) versteuert werden. Dabei ist die Effektivrendite nach Steuern und Kosten meist viel höher als bei Versicherungsprodukten mit Steuervorteil, und das liegt neben der Teilfreistellung bei Aktienfonds und dem Steuerstundungseffekt bei thesaurierenden Fonds v.a. an den tieferen Kosten. Konkret möchten wir die Renditeminderungen durch Kosten und Steuern beispielhaft an einem breit diversifizierten ETF-Portfolio mit drei Fonds in Tabelle 7 aufzeigen.

 

Tabelle 7: Jährliche Renditeminderungen durch Kosten und Steuern bei Investmentfonds

Macht ein solches Fonds-Portfolio in Ihrem Depot vor Kosten und Steuern eine Bruttorendite von 6.2% p.a., so führen weitere Abzüge zu einer tieferen Effektivrendite (nach Kosten und Steuern). Zunächst führen Kosten der Fonds von durchschnittlich 0.2% p.a. zu eben dieser Renditeminderung, so dass eine Rendite von ca. 6.0% p.a. nach Kosten zu erzielen ist. Mehr als 0.5% p.a. sollten Anleger für die Verwaltung von Investmentfonds (TER, Total Expense Ratio) nicht bezahlen. Bei ausschüttenden Investmentfonds werden Erträge (Zinsen, Dividenden) bei Ausschüttung mit der Abgeltungssteuer belegt, nachdem allenfalls eine Teilfreistellung berücksichtigt wurde. Unser beispielhafter ausschüttender Fonds landet dabei auf einer Effektivrendite von 5.06% p.a. über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die Bruttorendite wird also um etwa 1.1% p.a. durch Kosten und Steuern gemindert. Noch besser schneiden durch den Steuerstundungseffekt thesaurierende Fonds ab. Die Steuerstundung bewirkt, dass Ausschüttungen wiederangelegt werden, und erst bei Verkauf besteuert werden. Die Vorabpauschale wurde für diese Berechnungen vernachlässigt. Im Beispiel beträgt bei thesaurierenden Fonds die Effektivrendite nach Kosten und Steuern 5.2% p.a.

„Ein effizientes Portfolio über verschiedene Anlageklassen mit kostengünstigen thesaurierenden ETFs erzielt brutto etwa 6% p.a. und netto etwa 5% p.a.“

Was Sie beim ETF auswählen noch beachten müssen, und wie Sie ein effizientes ETF-Portfolio erstellen, zeigen wir Ihnen in unseren Fachartikeln zu ETF.

Eine fondsgebundene Lebensversicherung mit einem weltweit diversifizierten Anlageportfolio kann unter anderem dann das sinnvollere Produkt im Vergleich zur Anlage in Investmentfonds sein, wenn die Versicherung Gesamtkosten von weniger als 1% p.a. beinhaltet, was manche Policen ohne Abschlusskosten schaffen. Bei der Auswahl einer solchen Netto-Police setzen Sie am besten auf einen unabhängigen Versicherungsberater gemäß 34d Abs. 2 GewO. Nur diese gesetzlich zugelassenen Berater auf Honorarbasis können in Ihrem Interesse das beste Versicherungsprodukt aus allen Altersvorsorgeprodukten – auch ohne Provisionen - auswählen. Hat Ihr Berater zudem die Zulassung zur Honorar-Finanzanlageberater gemäß 34h GewO, können Sie sicher sein, dass die Beratung auch alternative Anlagen wie Fonds oder ETFs berücksichtigt.

 

 

 

Dr. Steffen Schaarschmidt
Honorarberater und eingetragener Versicherungsberater

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